18.05.2015

Kalimera! Roadtrip durch Kreta

Einmal quer über die griechische Insel und abseits vom Massentourismus Kreta kennen lernen. Das wartete auf unseren Gastblogger Philipp von reisedepeschen.de. Mit einem Landrover ging es dabei sechs Tage lang auf einen Roadtrip durch Kreta. Mit eindrucksvollem Programm: abenteuerliche off-road Tracks, Übernachtung am Strand oder ein Kochkurs bei der Kreterin Frau Argyro, die bewies, dass die griechische Küche mehr kann als Gyros. Kommt mit auf den Roadtrip mit Philipp!

Tag 1 – Bergiges Hinterland und menschenleere Küsten

Der Wecker schlägt sieben Uhr, die späte Anreise über Athen nach Herakleion, der Hauptstadt Kretas, sitzt noch in den Knochen. Schlaftrunken stapfe ich zum Fenster, schiebe die Gardine zur Seite und blinzel in einen glutroten Feuerball. Die Sonne hat es vor mir geschafft und wärmt schon in den frühen Morgenstunden.

Roadtrip Kreta
Sonnenaufgang auf Kreta

Heute steht ein Ausflug in das bergige Hinterland an, wir wollen auf unserem Roadtrip durch Kreta (der Landrover Discovery Adventure Tour), bis an die schöne, menschenleere Südküste vordringen.

Besonders freue ich mich auf das Zusammentreffen mit den Einheimischen, deren gastfreundlicher Ruf bis über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Ich bin neu in Griechenland. Den Raki weiß ich schon zu schätzen, kenne ihn aber nur aus meiner Lieblingstaverne in Berlin-Schöneberg.

Megalonissos, nennen die Griechen die größte ihrer Inseln, was so viel wie Großinsel bedeutet. Im Süden der Insel werden sogar Bananen angebaut. 580.000 Menschen leben auf der 270 km langen Insel, die mit bis über 2000 Meter hohen, zeitweilig auch Schnee bedeckten Bergen, aufwarten kann.

Landrover Südküste
Mit den Landrovern auf Tour

Mit dem Landrover erklimmen wir heute bis zu 1000 Meter hohe Berge, und werden in dem kleinen Dorf Káto Zágros an der Ostküste mit frischen einheimischen Speisen belohnt. Der ehemalige Griechische Meister im Body Building Ilias Pagiannidis, empfängt uns in seinem ruhigen Hotel „Terra Minoika“. Seine charmante Frau verwöhnt uns mit Kaffee und Kuchen.

Tag 2 – Ágios Nikólaos ist nicht mehr das, was es einmal war

Das kleine Städtchen im Nord-Osten, an der schönen Mirabello Bucht gelegen, wird tagtäglich von großen Reisegruppen heimgesucht.

Ágios Nikólaos
Hafen von Ágios Nikólaos

Sie kommen in dutzenden Bussen über Land, oder aber über Wasser. Das laut trötende Nebelhorn ist eine erste Vorwarnung, und geht auch beim Ablegen noch einmal durch Mark und Bein. Beeindruckend, wie bei so viel Heuschreckentourismus, auch altgesottene Souvenirladenbesitzer, immer noch ein jungfräuliches Lächeln über die Lippen bringen. Die Männer vor den Restaurants werben aggressiv für das Mittagsmenü und versperren bisweilen den Weg.

Wenn man sich die vielen Menschen wegdenkt, ist Ágios Nikólaos ein Schmuckstück: Der Voulisméni See, inmitten der Stadt, von einer steilen Felswand flankiert und mit Zugang zum Meer, ist schön anzusehen. Kleine Fischerboote dümpeln im auflandigen Wind, über smaragdgrünem Untergrund. Entfernt man sich von der Fußgängerzone, ist man schnell drin, im Nachbarschaftskosmos. Auffallend sind die öffentlichen Tafeln für Todesanzeigen. Immer wieder sehe ich ältere Herren, die einen Moment davor verharren. Ihre Frauen unterhalten sich über die Balkone hinweg, während mir eine der vielen namenlosen Katzen um die Beine streicht.

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Todesanzeigen auf Griechisch

Am Stadtstrand im Süden der Stadt, nahe des Yachthafens, ein anderes Bild: junge Einheimische spielen Beachball, und präsentieren ihr frisch gebräunten Körper vor der Dorfschönsten. In der zweiten Reihe, im Café, sitzen die Dorfältesten und beobachten schweigend das Balzverhalten der Jungen.

Tag 3 – Die griechischen Männer und das Meer

Der Ausritt mit dem Allrad ist heute nur von kurzer Dauer. Entlang der schönen Mirabello Bucht ist unser Ziel der kleine, ehemalige Fischerort Pláka. Kreta hat auch in diesem Teil der Insel so viele schöne Bademöglichkeiten, dass man verführt ist, den Tagesplan zu verwerfen und der Spontanäität die Tore zu öffnen. Doch wir schlagen uns bis Pláka durch. Vor uns liegt die Festungsinsel Spinalónga. Von den Venezianern erbaut, lange Zeit von Türken okkupiert, beschloss die Griechische Regierung 1903 die Kalidon Insel als Ghetto für Leprakranke einzurichten. Die Festung in dieser Form, mit eigener Infrastruktur, existierte bis 1957.

Still
Fischernetze

Am Anleger für die Spinalónga Fähre, mit den schönen, kleinen Tavernen, mit Blick auf die Inselfestung, treffe ich auf die beiden Fischermänner Niko Sfirakis (69) und Manilas Koukourakis (74). Stolz zeigen sie mir ihr Boot und ihre insgesamt 8 km langen Fangnetze. Früher seien sie oft mit über 60 Kilo zurück gekehrt, berichtet der Fischer-Präsident der Gemeinde, Niko. Heute käme man oft nur mit 6-10 Kilo heim. Manilas gerät schnell ins Schwärmen, wenn er vom Fischfang spricht.: „Es ist ein Kunst, die man nie vollständig beherrschen wird“, erzählt er und unterstreicht damit, warum es ihn nach wie vor zur See zieht.

Manilas
Fischer Manilas
Niko
Fischer Niko

Mit einer kleinen Reisegruppe, wage ich mich dann selbst aufs Wasser. Der Katamaran gleitet über das Türkis schimmernde Mittelmeer. Vor dem doppelten Bug kommen wir der Festungsinsel jetzt sehr nah, auf der sich dutzende Tagesausflügler tummeln. Der sympathische, weitgereiste slowenische Kapitän Janes Zupancic steuert mit uns entlegenen Buchten an. Entlang der schönen Küste endet unsere Fahrt schließlich in der Bucht des Hotels.

Boot und Festung
Festungsinsel Spinalónga

Morgen geht es über 2000 m hohe Gebirgspässe in den mittleren Süden der Insel. Geplant ist eine Übernachtung am Strand, so dass ich erst in zwei Tagen wieder berichten kann.

Bis dahin!

Tag 4 – Schnee auf Kreta

Der Wecker klingelt wie immer zu früh. Ein Blick ins Tagesprogramm aber stimmt zuversichtlich. Entlang der touristisch erschlossenen Nordküste geht es über die Schnellstraße bis nach Heraklion. Dem Meer den Rücken kehrend, von dort im Landrover Konvoi, in das menschenleere Hinterland. Der Discovery, wird nun im „Schotter und Schnee“ Modus betrieben. Auch an den steilsten Hängen, fühlen wir uns damit unbesiegbar.

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Kleine Verschnaufpause

Kreta trägt jetzt dick auf. Denn plötzlich erscheint vor uns der schneebedeckte Berg Psilorítis (2.456 m) im Ida-Gebirge, und wirkt bei 27 Grad Lufttemperatur wie eine Fata Morgana. Entlang der Schotterpisten tauchen immer wieder Ziegen und Schafe auf, die eigentlichen Bewohner der Hochebene.  Mit ihren Halsglocken liefern sie den Soundtrack zum Trip.

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Schneebedeckter Psilorítis
Roadtrip Kreta
Bewohner der Hochebene

Das Gleichnis von Kreta als Kontinent, wie es die Einheimischen bisweilen in ihren Liedern besingen, wird ein um das andere mal bestätigt. Abwechselnd wähne ich mich in einem Spaghetti Western oder auf den rollenden Hügeln Irlands. Schön wie die Assoziationen hier unkoordiniert ausschlagen, während wir zum Teil nur noch mit drei Rädern auf Bodenfühlung gehen und damit die inoffizielle Landrover Reifeprüfung bestehen.

Nikos
Nikos spielt die Lyra

Rauchzeichen weisen uns den Weg an die Südküste, wo uns der 77 jährige Kreter Nikos in seiner einsamen Bucht erwartet. In seinem schönen Steinofen garen Fleisch und Kartoffeln. Auf einer separaten Feuerstelle bereitet er ein großes Kartoffelomelette zu. In der Abenddämmerung spielt der alte Mann, mit den freundlichen, blauen Augen, und den vielen Lachfalten, die Lyra. Ein drei saitiges Streichinstrument, typisch für die Insel. Vom Rakí beschwingt tanzen wir Arm in Arm den Pentozalis, während Nikos die Mantinades anstimmt. Eine Stehgreifdichtung, die oft eine Momentaufnahme widergibt.

Spät nach Mitternacht, fallen wir dann in unsere Zeltbetten.

Tag 5 – Zurück in die Zivilsation

Zunehmend drängt der Gesang von Christos durch die Zeltwand, dem Anführer unserer kleinen Roadtrip-Kreta-Reisegruppe. Ganz ohne Wecker, erwache ich so aus dem Tiefschlaf. Geschätzte 10 m Luftlinie trennen mich zum morgendlichen Meerbad. Mit ein paar Kraulzügen vertreibe ich den Rakínebel, der sich zwischen meinen Schläfen festgesetzt hat und werde an Land schnell mit Kaffee versorgt. Zum letzten Mal spielt uns Nikos ein Lied, bevor wir uns wie alte Freunde in die Arme fallen.

Kreta Roadtrip
Die Nicos Bucht lädt zum morgendlichen Baden ein.

Parallel zur Südküste bezwingt der Konvoi wiederholend anspruchsvolle Serpentinen. Wir passieren kleine idyllische Dörfer, die wie an einer Perlenkette, an den Südhängen der Insel, aufgereiht sind.

ImLandrover
Auf Tour im Landrover

Die Schönheit der Landschaft überschlägt sich wie schon gestern, und wechselt einem Chamäleon gleich, nach Belieben, Farbe und auch Form. An steilen, steinigen Gebirgshängen präsentieren Kakteen-Gewächse knallbunte Blüten. Gebirgsbäche sind von Orchideen gesäumt, Erdtöne sind hier klar in der Mehrheit. Wir durchqueren Canyons und Schluchten. Vor der Windschutzscheibe tauchen Bilder auf, von denen man nicht genug bekommen kann. Zum Abend kehren wir dann in das Daios Cove ein, todmüde und mit angeschwollenem Kopf. Zu viele Bilder, die man nicht mehr vergessen möchte, suchen ihren Platz im Langzeitgedächtnis.

Für morgen steht auf unserem Roadtrip durch Kreta ein kurzer Ausflug in das schöne Bergdorf Kritsa an. Wo wir gemeinsam mit einer Einheimischen landestypische Speisen verköstigen werden.

Tag 6: Roadtrip durch Kreta – wenn das Ende naht…

Wir fahren in das idyllische Bergdorf Kritsá, im Nordosten der Insel. 3000 Menschen sind hier zu Hause. Auf den ersten Blick scheinen nur Frauen in gehobenerem Alter die schönen Altstadtgassen zu bevölkern. Denn das kleine Städtchen ist bekannt für seine Web- und Häkelarbeiten, die hier in unzähligen Läden teils von den Herstellerinnen selbst angeboten werden.

Ladenbesitzerin

Wir besuchen u.a. eine Frauenkooperative. Ein landesweites Projekt, das sich in den 90er Jahren, u.a. mit Hilfe von EU Geldern, durchgesetzt hat. Zu vergleichen mit den Landfrauen, wie man sie aus einigen Deutschen Bundesländern kennt, produzieren diese Kooperativen für den direkten Verkauf, oder aber beliefern Nachbardörfer.

Argyro

Unterhalb des Ortes erstrecken sich weitläufige Olivenhaine. Hier erwartet uns, unweit der Einfahrtsstraße, Argyro, der obligatorische Begrüßungsrakí. Die freundliche Dame betreibt hier zusammen mit ihrem Mann Manolés die Pension mit Restaurant „Argyro“. Im Schatten der Weinreben nehmen wir am gedeckten Tisch platz. Wir probieren gefüllte Weinblätter, Fava (Humus ähnliche Paste aus weißen Bohnen), mit Reis gefüllte Tomaten und bereiten schließlich einen Eintopf zu.

Kreta Roadtrip

Für die Gaumenfreuden bedanken wir uns mit einem Tänzchen, verneigen uns vor der griechischen Gastfreundschaft und sagen „adío“, auf Wiedersehen.

Roadtrip durch Kreta – Philipps Fazit

Grundsätzlich lässt sich Kreta gut mit dem Auto bereisen, wobei die Infrastuktur im Norden mit mehr befestigten Straßen und dichterem Straßennetz besser ist. Wer mehr sehen, durch Canyons fahren und unbefestigte Bergpässe erleben möchte, dem ist die Anmietung eines Allrad-Fahrzeuges für einen Roadtrip in Kreta zu empfehlen.

Die Kreter sind ein sehr gastfreundliches Volk. Auch in Heraklion, der Hauptstadt Kretas, wo die Krise Griechenlands augenscheinlicher ist, hat Philipp keine schlechten Erfahrungen gemacht. Sicherlich sollte man, wie auch in Deutschen Großstädten, keine Wertgegenstände sichtbar im Auto liegen lassen.

Reisen in der Gruppe bringt unterschiedliche Menschen zusammen. Auf die verschiedenen Persönlichkeiten sowie die organisatorischen Einschränkungen muss man sich im Vorfeld einstellen.


Philipp Boos
Philipp Boos

Philipp Boos lebt und arbeitet als freier Reisejournalist und Illustrator in Berlin. Trampelt gerne auf eigenen Wegen, abseits der gängigen Touristenpfade und geht dabei auf Tuchfühlung mit den Einheimischen auf der Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden.

Noch mehr Roadtrips? Dann lest die spannenden Reiseberichte unserer Gastblogger zu Südfrankreich, Rumänien oder Kasachstan!


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Ein Kommentar zu “Kalimera! Roadtrip durch Kreta”
  1. Ein wirklich schöner Reisebericht über Kreta – ich liebe diese Insel und wäre am Liebsten sofort wieder dort, wenn ich diese Bilder sehe… 🙂