24.07.2015

Traumjob Schiffsarzt?

Die sieben Weltmeere überqueren, viele Länder sehen und das ganze mit der Arbeit verbinden. Das klingt erstmal nach einem Traumjob. Dagegen stehen Bereitschaft rund um die Uhr und und die Entfernung von der Familie. Wir haben Dr. Jürgen Preimesberger, langjähriger Schiffsarzt auf verschiedenen Kreuzfahrtschiffen befragt, ob der Traum auch der Realität entspricht, welche Voraussetzung man erfüllen muss und welchen Herausforderungen auf einen warten.

Was hat Sie bewogen, als Schiffsarzt tätig zu werden und was sind die Voraussetzungen dafür?

Nach dem Studium war ich auf Weltreise und wollte danach weiter unterwegs sein, aber auch als Arzt praktizieren. Die Voraussetzung bei amerikanischen Reedereien sind 6 Jahre klinische Erfahrungen inklusive Notfallmedizin und sehr gute Englischkenntnisse. Vor allem Allgemeinmediziner, aber auch Ärzte mit chirurgischen oder anderem Hintergrund werden genommen.

Wie ist ein Hospital an Bord eines Schiffes ausgestattet und welche Behandlungen sind möglich?

Das Hospital an Bord der großen amerikanischen Schiffe mit ca. 5.000 Passagieren ist normalerweise mit Labor, digitalem Röntgen, künstlichem Beatmungsgerät, Dialysestation etc. ausgestattet – quasi eine kleine schwimmende Klinik. Meist fahren zwei Ärzte und vier Krankenschwestern mit. Auf kleineren Schiffen bis 2.000 Passagieren ist man allein mit zwei Schwestern unterwegs. Behandelt werden können Brüche, Abszesse, Schnittverletzungen außerdem kann Intensivmedizin betrieben werden, wie z. B. bei einem Herzinfarkt, jedoch keine großen Operationen.

Wie sieht ein typischer Alltag als Schiffsarzt aus?

Als Schiffsarzt war ich sowohl für die Passagiere als auch für die Crew an Bord zuständig. Es gibt täglich Öffnungszeiten morgens und abends. Zwischendurch hatte ich auch etwas Freizeit und konnte im Hafen an Land gehen, musste aber ständig abrufbereit sein. Wenn zwei Ärzte an Bord waren, hat man 24 Stunden Dienst und 24 Stunden frei. Dazu kommen noch Meetings zu Themen wie Hygiene und Gesundheit.

Auf den kleineren Schiffen ist man allein verantwortlich und je nach Vorfällen oft sehr lang im Einsatz. Auf manchen Schiffen übernimmt man als Schiffsarzt auch Repräsentationsaufgaben wie Captains Welcome und Farewell Dinner, was auch eine schöne Erfahrung war, um mit interessanten Gästen ins Gespräch zu kommen.

Was sind typische Vorkommnisse an Bord und was waren in Ihrer Laufbahn als Schiffsarzt die größten Herausforderungen?

Eine Spritze oder Tabletten gegen Seekrankheit erhalten die Patienten meist von den Schwestern. Als Schiffsarzt hatte ich die verschiedensten Vorfälle zu behandeln, wie Knochenbrüche, Hirnblutung aufgrund eines Sturzes an Bord, Herzrhythmusstörungen, Bienenstich, aber auch einen Elefantenbiss oder Herzinfarkte.

Eine größere Herausforderung war, als während einer Weltreise vor der Nordküste Australiens um 06:00 morgens ein 64-jähriger Mann einen Herzinfarkt beim Sport und damit einen Herz-Kreislaufstillstand erlitt. Wir haben ihn reanimiert, intubiert und damit sein Leben gerettet. Nach zwei Tagen Intensivbehandlung und künstlicher Beatmung wurde er in Darwin ausgeschifft und später mit einem Krankenrücktransport nach Hause überführt.

Weiterhin leitete ich ca. 20 Ausschiffungen per Helikopter, z.B. in der Inside Passage in Alaska, aufgrund von Schlaganfall, Herzinfarkt, Hirnblutung oder Akutes Abdomen (lebensbedrohliche Schmerzen im Bauchraum). Bei eventuellen Vorfällen auf Transatlantikreisen und in entlegenen Gebieten muss man hoffen, dass das Schiff noch schneller einen Hafen ansteuern kann, um den Patienten auszuschiffen. Da spielt Zeit oft die entscheidende Rolle. Aufgrund meiner Erfahrung, was alles unterwegs passieren kann, empfehle ich jedem Reisenden eine gute Auslandskrankenversicherung.

Ausschiffung per Helikopter
Ausschiffung per Helikopter

Man hört in den Nachrichten vereinzelt, dass der Norovirus an Bord eines Kreuzfahrtschiffes ausgebrochen ist. Was bedeutet das für Reisende und wie geht man an Bord damit um?

Ich habe mal eine Reise mit 200 Erkrankten erlebt. Eine Norovirusinfektion ist eine akute Magen-Darm Erkrankung, ausgelöst durch den gleichnamigen Virus, der wie ein Grippevirus von Passagieren mit an Bord gebracht wird, vor allem im Winter. Der Norovirus kommt nicht von Lebensmitteln. Er wird durch Berührungen, aber auch durch das Inhalieren von Erbrochenem übertragen. Typische Anzeichen sind Gelenkschmerzen, Fieber, Durchfall, Erbrechen, die nach wenigen Tagen abklingen. Die erkrankten Passagiere müssen in ihren Kabinen in Quarantäne bleiben. Wenn sie 48 Stunden symptomfrei sind, dürfen sie wieder herauskommen. Während eines Ausbruchs heißt es ständig putzen, desinfizieren und Hände waschen. Nach Beendigung einer solchen Reise wird das gesamte Schiff vernebelt und desinfiziert, sodass alle Keime abgetötet werden.

Traumjob Schiffsarzt – stimmen Sie zu?

Es war eine tolle Erfahrung, ich durfte viel lernen und in einem interessanten abwechslungsreichen Umfeld arbeiten. Dennoch freue ich mich jetzt über ein reales Leben an Land.

Schiffsarzt Dr. Preimesberger

Dr. Jürgen Preimesberger, 41 Jahre jung, war sechs Jahre an Bord verschiedener Kreuzfahrtschiffe von Royal Caribbean, Disney, Fred Olsen und Hapag-Lloyd Kreuzfahrten unterwegs. Seit Oktober 2014 betreibt er eine eigene Arztpraxis in Neumarkt am Wallersee/Nähe Salzburg. Ab und an ist er noch unterwegs z.B. mit dem Luxuszug Golden Eagle auf der Transsibirischen Strecke oder auf der Seidenstraße. Außerdem ist er am Wochenende als Notarzt bei der Flugambulanz tätig.

Kein Arzt und trotzdem Fernweh? Lesen Sie, wie es ist auf einem Kreuzfahrtschif zu leben und zu arbeiten.


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